Geschichte der Obermühle
Ein mittelalterliches Industriegebäude
Die Obere Mühle ist urkundlich bereits im Jahr 1479 erwähnt worden. Das
heutige Domizil der NaturFreunde ist Teil der Durlacher Stadtgeschichte und
Beleg für die Jahrhunderte alte Mühlenkultur.
Die NaturFreunde Durlach erwarben das Gebäude 1987 von der Stadt Karlsruhe,
nachdem sie ihr ehemaliges Vereinsheim, die "Bergwaldhütte" am
Zündhütle, wegen der heranwachsenden Wohnbebauung aufgeben mussten. Feierliche
Einweihung des neuen Durlacher NaturFreunde-Hauses war anlässlich des ersten
Durlacher Mühlenfestes am 5. August 1990.
Die Obere Mühle wurde zwar erstmals 1479 urkundlich erwähnt, allerdings gibt es
keine Belege dafür, dass die Bausubstanz des heutigen Gebäudes tatsächlich noch
aus dieser Zeit stammt. Vielmehr verweist das Eingangsportal mit
Stabwerkrahmung in das 17. Jahrhundert, während der auf 1753 inschriftlich datierte
Schlussstein des daneben liegenden Kellerportals in das 18. Jahrhundert weist.
Belegt ist hingegen durch Bauakten, dass die straßenseitige Giebelfassade 1893
wegen Abtragung der Pfinzbrücke erneuert werden musste und dass das Gebäude
1927 straßenseitig um 4 Meter zwecks Ausbau der Alten Weingartener Straße
gekürzt wurde und somit wiederum eine neue Giebelfassade erhielt.
Das NaturFreunde-Haus in seiner heutigen Form besitzt 4 nutzbare Geschosse, die
ausreichend Platz für die vielfältigen Aktivitäten des Vereins bieten. Hinzu
kommt ein Gewölbekeller, den die NaturFreunde heute als Lagerraum nutzen.
Doch bis zum heutigen Tag war es ein weiter Weg. Nachdem die letzten Mieter des
Gebäudes, ein in Durlach ansässiger Reifenhandel und zwei Familien, ausgezogen
waren, mussten die NaturFreunde bei der Sanierung des ziemlich mitgenommenen
Gebäudes, dem man seine bewegte Geschichte nicht mehr ansah, tausende von
Arbeitsstunden und viel Geld investieren.
Wichtig dabei war die Wiederherstellung des historischen Mühlencharakters. Es
wurden z.B. die ausgebrochenen Fenster wieder zusammengemauert und die
Proportionen der Fenster und Türen wieder hergestellt, wie sie zur Zeit des
Mühlenbetriebes waren. Der Mühlengang wurde andeutungsweise rekonstruiert. Als
Dacheindeckung fanden Biberschwanzziegel Verwendung. Ein mineralischer
Besenputz wurde als Außenputz gewählt. Fehlende Sandsteingewände wurden ergänzt
und Sprossenfenster eingebaut. Die Sandsteinmauern im Außenbereich wurden
ebenso mit alten Sandsteinen wieder ausgebessert.
Die Gedenktafel zur Badischen Revolution und das Mühlenwappen am Gewölbekeller
wurden ebenfalls restauriert. Im Hof wurden zwei alte vergrabene Mahlsteine zur
Erinnerung an vergangene Mühlentage aufgestellt.
Da die Mühle direkt an der Pfinz liegt, bot sich die Möglichkeit, ein
Laufwasserrad nach alter Art wieder zu installieren. Diese Idee wurde schon zu
Beginn mit in die Planungen der NaturFreunde einbezogen. Das alte und ruhende
Wasserrecht der Obermühle konnte wiederbelebt werden, und es gelang schließlich,
eine 40 KW Kleinwasserkraft-Anlage zu bauen. Ein Wasserrad, wie es die Mühle im
18. Jahrhundert besaß, wurde eingebaut. Nach langem Suchen in Archiven fanden
die NaturFreunde heraus, dass es sich hier um ein mittelschlächtiges Zuppinger
Laufwasserrad gehandelt hatte.
Die Obermühle war einst eine Getreidemühle, in der die Bauern von
Durlach, Hagsfeld und Rintheim ihr Getreide mahlen ließen. Weitere
Getreidemühlen waren die Untere Mühle und die Mittelmühle. Von allen Durlacher
Mühlen liegt heute nur noch die Obermühle an der Pfinz, die Untere Mühle und
die Mittelmühle verloren mit der Verlegung der Bahnlinie zu Beginn des 20.
Jahrhunderts und der Pfinzverlegung in den 1920er Jahren endgültig an
Bedeutung.
Zeitweise war in der Obermühle auch ein Ölschlag, eine Lederwalke sowie eine
Lohstampfe in Betrieb. Im Jahr 1760 hatte sie drei Mahl- und einen Gerbgang mit
drei zugehörigen Wasserrädern. Zur Mühle gehörten Nebengebäude, Pferde-,
Rinder- und Schweineställe und ein Mühlengarten. Sie war, wie die beiden
Schwestern, eine Bannmühle, was bedeutete, dass die Bewohner der zum Amt
gehörenden Orte nur in diesen Mühlen mahlen lassen durften. Einige Müller
nutzten wohl diese Privilegien aus, in dem sie den Bauern nicht immer die ihnen
zustehende Menge Mehl abgaben. Jahrelange Streitereien zwischen den Durlacher
Müllern und dem Magistrat der Markgrafenstadt hatten zwischen 1705 und 1770
mehrfach die Anordnung zur Aufstellung von Mehlwaagen zur Folge.
Die Obermühle wurde 1792 in Privatbesitz versteigert. Der bisherige Stadtmüller
Johann Rudolf Märker war der erste Besitzer. Vor 1909 ging sie wieder in
städtischen Besitz über. Als letzter Durlacher Obermüller ist Anton Reichert
erwähnt. Im Jahr 1960, den Zeiten des sogenannten "Mühlensterbens",
wurde der Obermühle, wie vielen anderen kleinen Mühlen auch, die Mahlerlaubnis
per Gesetz genommen.
Viele weitere kleine Geschichten und Anekdoten ranken sich um die Obermühle,
doch am bedeutendsten sind sicherlich die letzten Tage der Badischen Revolution
1848/49. Kanonenkugeln, die in einer Gedenktafel an der Obermühle angebracht
worden sind, erinnern an die Schlacht an der Obermühle, wohin sich Teile der
Truppen Johann Philipp Beckers zurückzogen, um sich dem Schützenfeuer der
preußischen Truppen entgegen zu stellen.
Thomas Hackbusch